Lebenshilfe

Am 07.01.2011, 21:27:47 Uhr schrieb Jürgen Jankowitsch

WHEN SATURDAY COMES

WHEN SATURDAY COMES

Was kann man in London noch tun außer auf Konzerte zu gehen? Richtig - man besucht Fußballspiele! London ist ja nicht nur das Mekka der populären Musik, sondern auch das Mekka des Fußballsports. 14 Londoner Vereine gibt es in den vier Profiligen, so dass fast täglich Spiele stattfinden. Ruhen die aus 20 (1. Liga) bzw. 24 Mannschaften (Liga 2 bis 4) bestehenden Ligen einmal, dann finden mit Sicherheit Pokalwettbewerbe (FA-Cup, Carling Cup, Johnstones Paint Trophy) oder Play Off-Spiele um den den Aufstieg in die nächsthöhere Spielklasse statt.

Im Unterschied zu Deutschland, wo ja mittlerweile eine sog. Arena der anderen gleicht, sind die Stadien in London mit Ausnahme der beiden Neubauten Wembley und Emirates allesamt höchst charmante und eigenwillige Schmuckstücke - Relikte aus einer anderen Zeit, die allesamt mitten in Wohngebieten liegen und deren eigenwillige Tribünenkonstruktionen und Kompaktheit eben zum Großteil dem wenigen Platz geschuldet ist, dem man der Sportfläche einst vor Jahrzehnten zugemessen hatte.

Aber auch sonst gibt es einige erfreuliche Unterschiede zum Fußball in Deutschland. Englische Fußballfans nehmen in der Regel 5 bis 10 Minuten vor Spielbeginn ihren Platz ein, so dass nervige Event- und Sponsorenspielchen entfallen: Mannschaftsaufstellungen, Vereinshymne, Anspiel! Und auch nach dem Spiel leert sich das Stadion in Sekundenschnelle. Wer schon einmal nach einem Spiel an einer U-Bahn-Haltestelle in einer Warteschlange stand, weiß warum. Aber auch ansonsten hätte die „Humba Humba-Täterä"- und „Die Hände zum Himmel"-Fußballhochkultur hier keine Chance.

Englische Fußballstadien sind reine Sitzplatzstadien - es darf nicht geraucht und kein Alkohol mit auf die Tribünen genommen werden. Deshalb schauen manche englische Fußballfans diesbezüglich auch neidisch in Richtung Deutschland. Dafür wird jedoch zumeist ausgiebig in den Toiletten geraucht, was zu heftigen Scharmützeln mit übereifrigem Ordnungspersonal führen kann. Chancenlos ist das Ordnungspersonal hingegen gegen die Nichteinhaltung des Sitzenbleibens. Bei allen Vereinen wird zumindest auf den Tribunen hinter den Toren fast die ganze Spieldauer über gestanden - fünf wild gestikulierende Ordner ziehen da gegen eine Tribüne voller Fußballfans einfach naturgemäß den kürzeren.

Wird nun in England der bessere Fußball gespielt? In England wird anders gespielt und die Schiedsrichter pfeifen weniger, d.h das Spiel ist weniger unterbrochen und es gibt weniger Freistöße, sterbende Schwäne und taktische Fouls. Dieser Umstand alleine macht das Spiel schneller und attraktiver.

Auch ist der gemeine englische Fußballfan in der Lage das Fußballspiel anderes zu lesen und zu beurteilen, als dies größtenteils bei den Fußballfans in Deutschland der Fall ist: So werden gelungene Tacklings und spielerische Befreiungen aus misslichen Lagen beklatscht wie Torerfolge, selbst wenn dabei dem eigenen Torhüter zurück gespielt werden muss. Und auch sonst sind englische Fußballfans eher geduldig - dank ihrer Rugbyvorbildung wissen sie, dass Fußball ein taktisches Lauf-, Kampf- und Geduldspiel ist, bei dem es in erster Linie darum geht Raum zu gewinnen und Dominanz auszuüben. So kann ein Spiel durchaus 0:0 oder 1:1 bei allerbester Stimmung ausgehen.

Darüber hinaus ist die Stimmung in den Stadien fast gänzlich unorganisiert. Fanclubs, Dauersupport, Ultras usw. gibt es in unserem Sinne in England nur vereinzelt. Es wird viel gesungen, jedoch kann dies von jeder Tribüne ausgehen. Deshalb ist die Stimmung sehr vom Spielstand abhängig. Man geht zum Fußball, um Fußball zu schauen - und bei einem Spielstand von 1:3 gegen die Heimmannschaft ist dann eben auch mal gänzliche Ruhe angesagt.

Ist es gefährlich in London zum Fußball zu gehen? Nein, es ist sicher generell nicht gefährlicher als in Deutschland. Nach den schwierigen 80/90er Jahren im englischen Fußball - mit seinen ganzen Katastrophen, dem Hooliganismus usw. hat sich nach der Umsetzung des „Taylor-Reports" vieles nachhaltig zum Positiven verändert.

Genauso wie in Deutschland gibt es eben auch in England bzw. London Spielpaarungen die heikler sind als andere und auch die einzelnen Vereine unterscheiden sich von der Besucherstruktur und vom Ambiente her gewaltig.

Inklusive dem Wembley Stadion gibt es 15 Stadien zu entdecken, so dass man nie bis Samstag warten muss - Everyday is a Matchday. Ich habe mittlerweile alle Stadien besucht und kann Groundhopping in London nur wärmstens empfehlen.