Im neuen Buch von Lars Henrik Gass "Objektverlust" (Berlin, 2025) geht es um eine Veränderung des zeitgenössische Kinofilms, das mit der Dominanz der Sozialen Medien und Streamingdienste allmählich zum Produkt einer neuartigen sozialen Kybernetik wird, die einem radikal veränderten Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft entspricht.
In Filmen etwa von Wes Anderson, Greta Gerwig, Mia Hansen-Løve, Giorgos Lanthimos, Ruben Östlund, Quentin Tarantino, Joachim Trier oder Athina Rachel Tsangari setzt sich gegenwärtig eine neue Wahrnehmungsökonomie durch, die sich am Internet als prägender sozialisierender Erfahrung ausgebildet hat. Ihr Blick richtet sich nicht mehr mit Neugier oder Erkenntnisinteresse auf eine äußere Wirklichkeit, sondern auf einen Fundus überlieferter Bilder, die ihrer historischen und gesellschaftlichen Bedeutung entleert wurden.
Verwandelt sich das Kino, das der Gesellschaft eine Zeitlang die Möglichkeit geboten hatte, durch den Schock technisch vermittelter Erfahrung sich und das Andere zu betrachten, sich in diesen Filmen zum bloßen Spiegel des Selbst, zur Erlebnismaterie einer narzisstischen Gesellschaft? Film als Propaganda einer Welt ohne Außen?
Lars Henrik Gass war von 1997 bis 2024 Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen. Seit 2025 ist er Gründungsdirektor des Hauses für Film und Medien in Stuttgart. Er publizierte zahlreiche Essays, Kritiken und Vorträge zu Film, Fotografie und kulturpolitischen Themen.